Umstieg von Ubuntu auf Debian

Dank Shopping Lense, unklarer Entwicklungsstrategie und nicht zuletzt einigen verletzenden Äusserungen des Ubuntu-Gründers Mark Shuttleworth, denken viele Anwender über eine Alternative nach.

Dass Ubuntu auf Debian basiert wissen die meisten. Was liegt also näher, als ein Wechsel auf die Mutterdistribution. Mit GNOME als Standarddesktop und dem bekannten SoftwareCenter, bietet sich Debian als Desktopsystem für Migrationswillige an. Allerdings sollten einige Besonderheiten beachtet werden, um den Umstieg möglichst schmerzfrei zu gestalten.

Debian ist anders

Vorab einige grundsätzliche Hinweise: Der Debian-Releasezyklus ist im Gegensatz zu Ubuntu nicht nach "deadline" Terminen definiert. Eine neue "stable" Version wird getreu dem Motto "Es ist fertig, wenn es fertig ist" veröffentlicht. Die "testing" Version wird hingegen kontinuierlich mit neuen Paketen aktualisiert. In den letzten Jahren hat sich für "stable" aber ein Releasezyklus von ca. 2 Jahren eingependelt. In der sogenannten Freeze-Phase vor dem Release einer neuen "stable" Version wird die "testing" Version stabilisiert. Spätestens dann kann man, nach Meinung des Autors dieses Wiki-Artikels, zumindest für Neuinstallationen von Desktopsystemen auch die "testing" Version installieren. Ein Versuch sollte es Wert sein. Eine erfolgreiche "testing" Installation wird dann im Zuge der "dist-upgrades" automatisch zu einer Installation der nächsten "stable" Version.

Installationsmedien

Das Debian-Projekt hat vor einiger Zeit gemeinschaftlich entschieden, in der Standarddistribution keine sogenannten Binary Blobs mehr mit zu liefern. Dabei handelt es sich um Firmware-Komponenten für z.B. WLAN-Karten, die vom Hersteller nur in Binärform geliefert werden. Als Folge davon funktionieren viele WLAN-Karten bei Debian nicht out-of-the-box. Wer die Möglichkeit hat, sollte die Installation über LAN durchführen (vorausgesetzt, dass für den Betrieb der Ethernet-Karte keine Binary Blobs benötigt werden, was aber fast immer der Fall sein sollte).

Zur direkten Installation der Testing-Version empfiehlt sich der Download eines aktuellen debian-installer Images.

Es werden auch inoffizielle Images angeboten, die unfreie Firmware enthalten (falls das Gerät auf dem Debian installiert werden soll, z.B. nur eine WLAN-Karte hat und diese auch noch unfreie Firmware benötigt).

USB-Medium

Nach dem Herunterladen des für die Rechnerarchitektur passenden "netinstall" Images (heute empfiehlt sich auf einem Standard-PC die Nutzung von amd64), kann dieses entweder mittels dd auf einen USB Stick übertragen, oder als ISO-Image auf eine CD gebrannt werden.

Die Erstellung eines bootbaren USB-Mediums erfolgt mit folgendem Kommando:

sudo dd if=*-netinst.iso of=/dev/sdX

wobei /dev/sdX durch den Device-Namen des USB-Mediums ersetzt werden muss. (Der Befehl dmesg | tail nach dem Einstecken des Devices gibt Auskunft über den Device-Namen.)

Achtung: Aktuelle Linux-Desktop-Umgebungen mounten USB-Massenspeicher bereits beim Einstecken. Um sicherzustellen, dass das Image sauber geschrieben wird, sollte das Device vor dem dd Befehl umounted werden (sudo umount /dev/sdX). Der umount-Befehl sollte immer in der Kommandozeile ausgeführt werden, da ein umounten aus dem Filemanager heraus meist auch die Device-Node entfernt!

Start vom Installationsmedium

Um von dem neu erstellten USB-Medium oder der CD starten zu können, muss im BIOS die Startreihenfolge so eingestellt sein, dass das entsprechende Device zuoberst steht. Alternativ haben viele BIOSes ein Bootmenü, in dem sich die Startreihenfolge manuell auswählen lässt.

Wenn alles geklappt hat, sollte der Startbildschirm des Debian-Installers erscheinen. Dort besteht unter anderem die Möglichkeit die zu installierende Desktopumgebung festzulegen (Advanced Options / Alternative Desktop Environments) oder die Installation im grafischen Modus zu starten.

Wir gehen im Folgenden von einer grafischen Installation (Graphical Install) mit unveränderten Desktopeinstellungen (Standard: GNOME) aus.

Hinweis: Falls ein Installationsmedium gewählt wurde, das nicht zur tatsächlichen Rechnerarchitektur passt, startet die Installation nicht.

Installation

Die Installation ist sehr ausführlich und vollständig im Installations-Handbuch beschrieben.

Kürzer geht es mit QuickInstall und dem DebianDesktopHowTo.

Tatsächlich ist die Installation recht einfach und unterteilt sich in folgende Schritte:

Nach der Installation

Nach Abschluss der Installation startet das System in den GNOME-Anmeldebildschirm. Dort kann man sich mit dem während der Installation angegebenen Benutzerkonto anmelden.

Aktivierung von sudo

Im Gegensatz zu Ubuntu ist unter Debian sudo so eingerichtet, dass nur Mitglieder der Gruppe sudo, sudo Befehle ausführen dürfen. Um einen Benutzer der sudo Gruppe hinzuzufügen, öffnet man ein Terminal und erlangt mit su - root-Rechte. Der Befehl adduser username sudo fügt den Benutzer username zur Gruppe sudo hinzu.

Zur Aktivierung der Einstellungen sollte der Benutzer Ab- und wieder angemeldet werden. In den folgenden Hinweisen gehen wir davon aus, dass sudo eingerichtet wurde und korrekt funktioniert.

Einstellung des Standardeditors

Der Standardeditor bei Debian ist nano. Wer gerne den Editor vim mag, wird schnell feststellen, dass nur eine abgespeckte Version (Paket vim-tiny) mit installiert worden ist. Dies lässt sich mit Hilfe von sudo apt-get install vim nachholen. Freunde von GNU Emacs können diesen mit sudo apt-get install emacs nachinstallieren.

Mit Hilfe von sudo update-alternatives --config editor lässt sich der Standardeditor festlegen.

Aktivierung von non-free und contrib

Debian unterteilt die Repositories in main, contrib und non-free, wobei nur main standardmässig aktiviert ist, da dieses ausschliesslich freie Software enthält. Wer unfreie Software aus den zusätzlichen Repositories installieren möchte, muss in der Datei /etc/apt/sources.list hinter jede Standard-Repository-Definition contrib non-free anfügen. Ein sudo apt-get update aktualisiert danach die lokal gespeicherten Repository-Informationen.

Installation unfreier Firmware

Sollte die Hardware auf der Debian installiert worden ist, unfreie Firmware voraussetzen, kann diese aus dem non-free Repository nachinstalliert werden. Zunächst muss allerdings ermittelt werden, wie der Hersteller und das Hardwaremodell heisst, für das Firmware benötigt wird.

Die Ausgabe von dmesg enthält Hinweise wie missing firmware, wenn eine Firmware nicht geladen werden konnte. lspci listet PCI Geräte, mit lsusb erhält man eine Liste aller angeschlossenen USB Geräte.

Hat man die benötigten Informationen ermittelt, lassen sich mit Hilfe von apt-cache search --names-only ^firmware alle Pakete anzeigen, deren Name mit firmware beginnt (was für einen grossen Teil der Firmware-Pakete zutrifft). Prominente Beispiele sind:

Meist gibt der Paketname oder die Beschreibung Auskunft über die unterstützte Hardware.

Nach der Installation des richtigen Pakets, empfiehlt sich ein Neustart, damit die Firmware korrekt geladen wird.

Firefox und Thunderbird

Aufgrund von ursprünglich eingeschränkten Rechten am Namen und den Icons, hat sich das Debian-Projekt entschieden Mozilla Firefox in Iceweasel und Mozilla Thunderbird in Icedove umzubenennen. Die Programme entsprechen sonst der Originalsoftware.

Für die Wheezy Version hat das Debian Projekt die 10 ESR Version von Iceweasel vorgesehen, da diese langfristig mit Updates versorgt wird.

Wer gerne eine aktuellere Version des Browsers oder des E-Mail-Clients installieren möchte, findet auf http://mozilla.debian.net/ ein Webtool zur Erstellung von sources.list-Einträgen.

deb-multimedia

Wer trotz der ca. 30000 Pakete noch eine Multimedia-Anwendung vermisst, wird evtl. beim inoffiziellen Projekt deb-multimedia fündig. deb-multimedia stellt z.B. u.a. die libdvdcss zur Verfügung, welche zum Abspielen von CSS-verschlüsselter DVDs benötigt wird. Die Nutzung der Bibliothek ist allerdings in einigen Ländern strafbar.

Zur Nutzung von deb-multimedia erstellt man einen sources.list-Eintrag (oder eine eigene Datei mit folgendem Inhalt unter /etc/apt/sources.list.d/):

deb ftp://ftp.deb-multimedia.org wheezy main non-free

Mit sudo apt-get update lassen sich die lokalen Repository-Informationen aktualisieren. Danach kann mit Hilfe von sudo apt-get install deb-multimedia-keyring der Keyring des Repositories installiert werden.

Allerdings muss beachtet werden, dass Probleme, die durch Nutzung von Paketen von deb-multimedia entstehen, nicht bei Debian sondern beim Betreiber von deb-multimedia gemeldet werden sollten. Debian kann an (ggf. auch in offiziellen Debian-Paketen auftauchenden) durch Pakete von deb-multimedia verursachte Fehler nichts ändern.

NetworkManager

Netzwerkkarten die während der Installation verwendet wurden, konfiguriert das Installationssystem in der Datei /etc/network/interfaces. Wer über WLAN installiert hat, wird schnell merken, dass die Karte sich nicht über den NetworkManager steuern lässt. Möchte man gerne den NetworkManager nutzen, müssen die Einstellungen für das entsprechende Interface (z.B. wlan0) aus der Datei /etc/network/interfaces entfernt werden. Nach dieser Änderung wird ein Neustart empfohlen.

Stable oder Testing?

Bei Stable handelt es wie bereits beschrieben, um die langfristig unterstützte, stabile Version von Debian. Diese Version wird auch von Canonical für die LTS (Long Term Support) Versionen von Ubuntu genutzt. Testing ist ein fortlaufender Zweig, der permanent aktualisiert wird. Er wird vor der Herausgabe einer neuen "stable" Version zur Stabilisierung genutzt. Wenn also ein neuer Stable-Release vorbereitet wird, werden in "testing" folglich keine neuen Versionen oder Features mehr eingespielt, sondern nur noch Bugfixes. Für Systeme, die dauerhaft auf "testing" Entwicklung folgen, können Probleme bei größeren Umstellugen nicht ausgeschlossen werden. Für die frühe Nutzung von DebianTesting, also unmittelbar nach der Herausgabe einer neuen "stable" Version sollte man selbst in der Lage sein z.B. Paketabhängigkeiten aufzulösen (oder zumindest wissen wo er/sie sich Hilfe holen muss ;))

Ziel: stable

Die meisten Repositories bieten als Distributionstag wahlweise die Release-Codenamen oder die Trees (stable/testing/unstable/experimental) an. Wenn man auf stable bleiben möchte, sobald wheezy als stabil deklariert wurde, sollte in sources.list-Einträgen wheezy anstatt testing angegeben werden.

Möchte man, wie zuvor beschrieben, aktuellere Mozilla-Versionen nutzen, sollte man nach dem offiziellen Release die sources-list Einträge von experimental auf das Backports-Repository umstellen.

Ziel: testing

Wer auf testing bleiben möchte, sollte im Gegenzug sicherstellen, dass in sources.list Einträgen testing angegeben bleibt. Die Aktualisierung des Systems erfolgt auf dem testing Zweig immer mit sudo apt-get dist-upgrade und nicht mit sudo apt-get upgrade.

Hinweis: Bis zum offiziellen Release sollte jedes Wheezy System regelmässig mit sudo apt-get dist-upgrade aktualisiert werden.